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Mittwoch, 4. Juni 2014

Der Fuchs und der kleine Prinz

... es ist ein Tag um Geschichten zu erzählen. Die Sonne scheint, die Luft ist angenehm warm und ich rede mit meinen Blumen, nur ganz leise aber sie hören es. Und sie warten auf dieses Gespräch, ich habe mich ihnen vertraut gemacht. Nun bin ich für sie verantwortlich ... wie es in dieser Geschichte erzählt wird.

Der Fuchs und der  kleine Prinz

"Du bist nicht von hier", sagte der Fuchs, "was suchst du?" "Ich suche die Menschen", sagte der kleine Prinz. "Was bedeutet, zähmen?" „ Die Menschen", sagte der Fuchs, "die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig. Sie ziehen auch Hühner auf. Das ist ihr einziges Interesse. Du suchst Hühner?" „Nein", sagte der kleine Prinz, "ich suche Freunde. Was heißt, zähmen ' ?"  "Zähmen, das ist eine in Vergessenheit geratene Sache", sagte der Fuchs.
"Es bedeutet: sich vertraut machen". "Vertraut machen?" "Gewiss", sagte der Fuchs. 
"Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebenso wenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt ..."


"Ich beginne zu verstehen", sagte der kleine Prinz. "Es gibt eine Blume ... ich glaube, sie hat mich gezähmt ..." "Das ist möglich", sagte der Fuchs. "Man trifft auf der Erde alle möglichen Dinge ..." "Oh, das ist nicht auf der Erde", sagte der kleine Prinz. Der Fuchs schien sehr aufgeregt: "Auf einem anderen Planeten?" – "Ja." "Gibt es Jäger auf diesem Planeten?" – "Nein." "Das ist interessant! Und Hühner?" – "Nein." "Nichts ist vollkommen!" seufzte der Fuchs.
Aber der Fuchs kam auf seinen Gedanken zurück: "Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen andern unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide lieb gewinnen." Der Fuchs verstummte und schaute den Prinzen lange an: "Bitte ... zähme mich!" sagte er.

"Ich möchte wohl", antwortete der kleine Prinz, "aber ich habe nicht viel Zeit. Ich muss Freunde finden und viele Dinge kennen lernen." "Man kennt nur die Dinge, die man zähmt", sagte der Fuchs. "Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!" "Was muss ich da tun?" sagte der kleine Prinz. "Du musst sehr geduldig sein", antwortete der Fuchs. "Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können ..."

Am nächsten Morgen kam der kleine Prinz zurück. "Es wäre besser gewesen, du wärst zur selben Stunde wiedergekommen", sagte der Fuchs. "Wenn du zum Beispiel um vier Uhr nachmittags kommst, kann ich um drei Uhr anfangen, glücklich zu sein. Je mehr die Zeit vergeht, umso glücklicher werde ich mich fühlen. Um vier Uhr werde ich mich schon aufregen und beunruhigen; ich werde erfahre, wie teuer das Glück ist. Wenn du aber irgendwann kommst, kann ich nie wissen, wann mein Herz da sein soll ... Es muss feste Bräuche geben." "Was heißt, fester Brauch?'"
"Auch etwas in Vergessenheit Geratenes", sagte der Fuchs. "Es ist das, was einen Tag vom andern unterscheidet, eine Stunde von den andern Stunden. Es gibt zum Beispiel einen Brauch bei meinen Jägern. Sie tanzen am Donnerstag mit dem Mädchen des Dorfes. Daher ist der Donnerstag der wunderbare Tag. Ich gehe bis zum Weinberg spazieren. Wenn die Jäger irgendwann einmal zum Tanze gingen, wären die Tage alle gleich und ich hätte niemals Ferien." 


So machte denn der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die Stunde des Abschieds nahe war: "Ach!" sagte der Fuchs, "ich werde weinen." "Das ist deine Schuld", sagte der kleine Prinz, "ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, dass ich dich zähme ..."! "Gewiss", sagte der Fuchs. "Aber nun wirst du weinen!" sagte der kleine Prinz. "Bestimmt", sagte der Fuchs. "So hast du also nichts gewonnen!" "Ich habe", sagte der Fuchs, "die Farbe des Weizens gewonnen." Dann fügte er hinzu: "Geh die Rosen wieder anschauen. Du wirst begreifen, dass die deine einzig ist in der Welt. Du wirst wiederkommen und mir adieu sagen, und ich werde dir ein Geheimnis schenken." Der kleine Prinz ging, die Rosen wieder zu sehen: "Ihr gleicht meiner Rose gar nicht, ihr seid noch nichts", sagte er zu ihnen. "Niemand hat sich euch vertraut gemacht und auch ihr habt euch niemandem vertraut gemacht. Ihr seid, wie mein Fuchs war. Der war nichts als ein Fuchs wie hunderttausend andere. Aber ich habe ihn zu meinem Freund gemacht, und jetzt ist er einzig in der Welt."

Und die Rosen waren sehr beschämt. "Ihr seid schön, aber ihr seid leer", sagte er noch. "Man kann für euch nicht sterben. Gewiss, ein Irgendwer, der vorübergeht, könnte glauben, meine Rose ähnle euch. 
Aber in sich selbst ist sie wichtiger als ihr alle, da sie es ist, die ich begossen habe. Da sie es ist, die ich unter den Glassturz gestellt habe. Da sie es ist, die ich mit dem Wandschirm geschützt habe. Da sie es ist, deren Raupen ich getötet habe (außer den zwei oder drei um der Schmetterlinge willen). Da sie es ist, die ich klagen oder sich rühmen gehört habe oder auch manchmal schweigen. Da es meine Rose ist." Und er kam zum Fuchs zurück: "Adieu", sagte er ... "Adieu", sagte der Fuchs. "Hier mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."


"Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken. "Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, sie macht deine Rose so wichtig." "Die Zeit, die ich für meine Rose verloren habe ...", sagte der kleine Prinz, um es sich zu merken. "Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen", sagte der Fuchs. "Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast. Du bist für deine Rose verantwortlich ..." "Ich bin für meine Rose verantwortlich ...", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken.




6 Kommentare:

  1. Ein Klassiker von Antoine de Saint-Exupery und immer wieder anrührend, die Geschichte vom kleinen Prinzen mit all ihren besonderen Erkenntnissen. Ich mag sie sehr. LG Claudia.

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    1. Liebe Claudia, ich habe diese Geschichte noch nicht gekannt und habe sie gewählt, weil sie sehr lehrreich und anrührend ist. Sie geht ins Herz ...
      Wünsche dir einen schönen Tag. Liebe Grüße, Margot.

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  2. Dieser Satz ist ja schon fast berühmt geworden.
    Ich habe schon viel von dieser Geschichte gehört, aber sie noch nie gelesen.
    Du hast mir einen Anreiz gegeben, dass nachzuholen. Wie Du schon sagst, sie ist lehrreich und anrührend.

    Liebe Grüße
    Sonja

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    1. Hallo Sonja, ich hatte auch schon viel von dieser Geschichte gehört aber noch nie gelesen. Nun werde ich es nachholen ... die Geschichte berührt. ♥
      Wünsche dir einen schönen Tag.
      Liebe Grüße, Margot.

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  3. Liebe Margot,
    diese Geschichte hatte ich längst vergessen. Danke, dass
    du sie ausgewählt hast. Sie berührt immer wieder.
    Einen schönen Abend wünscht dir
    Irmi

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    1. Danke Irmi, für deinen liebenswerten Kommentar. :-))
      Wünsche dir einen schönen Tag. Ganz liebe Grüße, Margot.

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