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Mittwoch, 27. April 2016

Das Brot von Wilhelm Busch

Das Wetter ist heute schlimmer als in den vergangenen Tagen, außer Regen, pfeift der Wind noch ums Haus. Sogar die Tauben haben sich zurückgezogen. Da muss ich mich nicht wundern, dass mein Kopf ein Gefühl von Schwere in sich trägt. Nein, heute habe ich kein Gefühl von Traurigkeit in mir, sondern nur Müdigkeit. Nun suche ich lebhafte Zeilen. Wilhelm Busch könnte helfen ... na mal sehen.



Das Brot

Ich selber war ein Weizenkorn.
Mit vielen, die mir anverwandt,
lag ich im lauen Ackerland.
Bedrückt von einem Erdenkloß,
macht' ich mich mutig strebend los.

Gleich kam ein alter Has gehupft
und hat mich an der Nas gezupft,
und als es Winter ward, verfror,
was peinlich ist, mein linkes Ohr,
und als ich reif mit meiner Sippe,
o weh, da hat mit seiner Hippe
der Hans uns rundweg abgesäbelt
und zum Ersticken festgeknebelt
und auf die Tenne fortgeschafft,
wo ihrer vier mit voller Kraft
im regelrechten Flegeltakte
uns klopften, daß die Scharte knackte!

Ein Esel trug uns in die Mühle.
Ich sage dir, das sind Gefühle,
wenn man, zerrieben und gedrillt
zum allerfeinsten Staubgebild',
sich kaum besinnt und fast vergißt,
ob Sonntag oder Montag ist.
Und schließlich schob der Bäckermeister,
nachdem wir erst als zäher Kleister
in seinem Troge baß gehudelt,
vermengt, geknebelt und vernudelt,
uns in des Ofens höchste Glut.
Jetzt sind wir Brot. Ist das nicht gut?
Frischauf, du hast genug, mein Lieber,
greif zu und schneide nicht zu knapp
und streiche tüchtig Butter drüber
und gib den andern auch was ab!

Wilhelm Busch

Liebesgeschichten des Jeremias Pechvogel


Erste Liebe


Da draußen vor dem Tore,
Da steht ein Lindenbaum,
Wo ich so süß geträumet
Der ersten Liebe Traum.

Da draußen vor dem Tore
In stiller Abendstund
Hab' ich ihr oft geküsset
Die Stirne und den Mund.

Da draußen vor dem Tore,
Wo sie mich hinbestellt,
Schenkt' ich ihr dies und jenes
Von meinem Taschengeld.

Da draußen vor dem Tore,
Beim stillen Mondenschein,
Da schenkt' ich meiner Holden
Von Gold ein Ringelein.

Da draußen vor dem Tore,
Da schien der Mond so hell. –
Ich war ein junger Schüler,
Sie eine Nähmamsell.

In jener dunklen Gasse,
Da wohnt der Pfänderjud,
Da hab' ich's auch erfahren,
Wie falsche Liebe tut.

In jene dunkle Gasse,
Da ging ich heimlich nur;
Bei Abraham, dem Juden,
Versetzt' ich meine Uhr.

In jener dunklen Gasse,
Dort in des Juden Schrein,
Da seh' ich etwas glänzen
Als wie ein Ringelein.


In jener dunklen Gasse,
Da sah ich – tief gekränkt –
Das Ringlein ew'ger Treue,
Das ich ihr jüngst geschenkt.

In jener dunklen Gasse,
Da ward mir alles klar.
Mit meiner ersten Liebe
War's aus für immerdar.

Zweite Liebe

Ich wohnte hinten nach dem Hof hinaus,
Mir gegenüber stand ein altes Haus.
Das alte Haus, das hat der Fenster viel,
Doch eins war meiner Augen stetes Ziel.

Denn an dem Fenster, blumenüberdeckt,
Saß jeden Tag ein Mädchen halbversteckt.
Sie las – begoß die Rosen – hie und da
Ihr schmachtend Aug zu mir herüber sah.

Da klebt' ich an mein Fenster, halb im Scherz,
Aus rosa Glanzpapier ein flammend Herz.
Sie aber wandte sich. – Mit weißer Hand
Spielt' sie an ihrem losen Busenband.

Und träumerisch, als wär' es aus Versehn,
Ließ sie die Schleife aus dem Fenster wehn.
Ich hob sie auf, ich küßt' sie tausendmal.
Mein vis-à-vis war auch mein Ideal.

Auf Promenaden sahen wir uns nie;
Doch schrieb sie mir und ich, ich schrieb an sie.
Viel Liebes und viel Schönes schrieb sie mir
Auf goldumsäumtem rosa Postpapier.
Doch eins – dies eine sollte uns entzwei'n,
Eins schrieb sie nicht. – Sie hatt' ein kurzes Bein.

Dritte Liebe

Meine Freunde und Gesellen
Haben mich dazu verleitet.
Daß zu den Casinobällen
Ich sie neuerdings begleitet.

Kaum daß in den Saal wir kamen,
Fühlt' ich schon mein Herz erbeben,
Denn die schönste aller Damen
Sah ich leicht vorüberschweben.


Leicht und krinolinen-luftig,
Halb gefühlt und halb gesehen,
Fein eau-de-Cologne-duftig
Spürt' ich ihr Vorüberwehen.

Ihre Wange war umgaukelt
Von den Locken lang und lose,
Und als wie auf Wellen schaukelt
Ihr am Busen eine Rose.

Und das Aug, das feurig-matte –
Ja! Ich mußt' sie engagieren.
Eilig zupft' ich die Krawatte,
Würdig mich zu präparieren.

Ach! Wie ist mir nur geschehen?!
– Ihn, den ich schon lange scheute,
Hatt' ich gänzlich übersehen,
Jenen Herrn an ihrer Seite.

Er fixierte mich so listig
Mit vertrautem Augenzwinken;
Und, weiß Gott! mir war, als müßt' ich
Spurlos in den Boden sinken. –

Heimlich bin ich fortgeschlichen.
Jener Herr – so war es leider! –,
Dem ich lang schon ausgewichen,
War ihr Vater und – mein Schneider.

Wilhelm Busch



Idiosynkrasie



Der Tag ist grau. Die Wolken ziehn.
Es saust die alte Mühle.
Ich schlendre durch das feuchte Grün
Und denke an meine Gefühle.
Die Sache ist mir nicht genehm.
Ich ärgre mich fast darüber.
Der Müller ist gut; trotz alledem
Ist mir die Müllerin lieber.

Wilhelm Busch


Nun, die Verse sind geschrieben, in der damaligen Zeit für die damalige Zeit. So lese ich sie auch und vertausche die männlichen mit den weiblichen  Attributen. 


Herzlichst Margot.

2 Kommentare:

  1. Liebe Margot,
    Wilhelm Busch hilft immer, wenn die Laune
    mal nicht so gut ist.
    Aber auch deine anderen Gedichte gefallen mir
    sehr gut.
    Einen angenehmen Abend wünscht Dir
    Irmi

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    1. Liebe Irmi,
      hab vielen Dank. Ja, W. Busch holt "Jeden" aus dem Jammertal heraus. :-)
      Der Abend ist vorbei, wünsche dir einen schönen Tag.
      Herzlichst Margot.

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