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Donnerstag, 7. August 2014

Das Rasiermesser

... der Tag wird schön, die Sonne scheint, wenn auch etwas verhangen. Meine Blumen grüßen mich, ich grüße zurück, indem ich ihnen etwas Wasser gebe. Verwelkte Pflanzen breche ich aus, nicht ohne mich zu entschuldigen. Sie sollen doch wissen, warum ich es mache. ;-) In diesem Moment denke ich an Italien und an eine Geschichte von Leonardo da Vinci. Sie hat nichts mit Blumen zu tun, aber ich finde sie schön ... und lehrreich.


Das Rasiermesser

Als das Rasiermesser eines schönen Tages aus seinem Griff, der ihm als Scheide diente, herauskam und sich ins Fenster legte, sah es die Sonne sich in
seinem Leibe spiegeln. Da fühlte es sich von ungeheurem Glanz durchströmt und in Gedanken an sein Handwerk sprach es zu sich selber:

»Niemals will ich wieder in die enge Stube zurück, aus der ich kam! Mögen die Götter verhüten, daß meine leuchtende Schönheit so erniedrigt wird. Welcher Unsinn, die eingeseiften Knasterbärte dummer Bauern zu rasieren, was ist das für Hausknechtsarbeit! Ist dieser blitzende Leib dazu geschaffen? O bei Gott, nein - ich will mich an einem verborgenen Ort verstecken und dort in stiller Ruhe mein weiteres Leben verbringen.«

Und so tat das Rasiermesser.

Als es nun einige Zeit in seinem Versteck zugebracht hatte, kehrte es eines Tages an die Luft zurück. Aber o Schreck! Es merkte, daß es aussah wie eine alte, verrostete Säge, die Sonne blitzte nicht mehr auf der stumpfen Fläche. Vergebens war alle Reue, nutzlos alles Klagen.

»Wie viel besser hätte ich getan«, sprach das Rasiermesser bei sich, »meine scharfe, nun verdorbene Schneide beim Barbier zu üben! Wo ist mein glänzender Leib? Weh mir, der tückische Rost hat ihn zerfressen.«

Ganz so, meine Lieben, wird es denen ergehen, die sich dem Müßiggang hingeben, anstatt zu arbeiten. Sie werden, wie unser Rasiermesser, ihre scharfe Schneide verlieren, und der Rost der Unwissenheit wird ihre Form verderben.

Leonardo da Vinci - Italien

Darf ich etwas sagen, mein innerer Schweinehund überredet mich auch Müßiggang einzulegen und ich gehorche ihm, wenn auch nicht zu lange. Da habe ich wohl Glück, weil ich mich nicht zu lange verberge. Somit verliere ich nicht meinen Glanz ... :-))




6 Kommentare:

  1. Zu Deinem Beitrag heute fällt mir ein:
    "Wer rastet, der rostet" ;)
    Das Mittelmaß zwischen Müßiggang und Action ist wünschenswert aber nicht immer zu verwirklichen.
    LG Eva

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    1. Zu deinem Zitat: "Wer rastet, der rostet." sage ich ja, es stimmt, wie mit der Geschichte vom Rasiermesser. Das Mittelmaß ist wirklich sehr schwer zu finden, aber ich bemühe mich. :-))
      Einen schönen Tag und liebe Grüße, Margot.

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  2. Das Zitat von Eva passt wirklich ganz genau zu dieser Geschichte und beides trifft absolut zu. Es ist, wie ihr schon geschrieben habt, ein Mittelmaß ist wirklich ideal und auch ich bemühe mich darum.

    Liebe Grüße
    Sonja

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    1. Danke Sonja, das Mittelmaß zu finden ist wirklich sehr schwer. :-))

      Liebe Grüße, Margot.

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  3. Hallo Margot,

    ich staune doch immer wieder über die Geschichten, welche Du so findest.
    Die heutige hat mir besonders gefallen - ich würde es auch in die Richtung interpretieren - man muss sein Leben genießen :)


    Liebe Grüße
    Björn :)

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    1. Hallo Björn, ja ich freue mich, wenn ich geistreiche Geschichten finde. Ich ziehe Lehren daraus und gebe die Geschichten weiter. Und so soll es sein, Ratschläge erkennen ...
      Dir noch einen schönen Tag. Liebe Grüße, Margot.

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