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Samstag, 29. August 2015

Morgentraum

Heute regnet es und ich freue mich darüber, denn der Regen fällt ganz sacht und lässt mich träumen. Am schönsten lässt sich in und mit Gedichten träumen, egal in welcher Richtung. So wie die Nachfolgenden ...




Morgentraum

Gedämpft nur schlüpft das erste Licht
    Durch hohe, breite Blätterkronen.
Die Elfen, die in Blumen wohnen,
    Die hören’s nicht.
    Doch nicht mehr lang,
Dann tun sich Blumenglocken auf,
Dann tun sich viele Türen auf.
    Ein leiser Klang
Erzittert kindhaft durch den Hain,
Und rings erblühen Elfenreihn.

Ergehst du dich im Mittagslicht
    Durch jenen Hain,
Dann siehst du all die Wunder nicht.
    Der Elfenleiber Silberlicht
Erbleicht am hellen Tagesschein.
Sie sind ein zarter Morgentraum,
Ein Sonnenstaub von Baum zu Baum,
    Im ersten, halben Morgenlicht.

Peter Baum · 1869-1916




Und endlich stirbt die Sehnsucht doch

Und endlich stirbt die Sehnsucht doch – – –
Wie Blüten sterben im Kellerloch,
Die ewig auf ein bisschen Sonne warten.
Wie Tiere sterben, die man lieblos hält.
Und alles Unbetreute in der Welt.
Man fragt nicht mehr: „Wo wird sie sein –?!?“
Ruhig erwacht man, ruhig schläft man ein.
Wie in verwehte Jugendtage blickst du zurück,
Und irgendjemand sagt dir weise: „'s ist dein Glück!“
Da denkt man, dass es vielleicht wirklich so ist,
Wundert sich still, dass man doch nicht froh ist!

Peter Altenberg . 1859-1919




Die Maus

Es wollte eine kleine Maus _
im Keller wohnhaft _ hoch hinaus.
Und eines Nachts auf leisen Hufen,
erklomm sie achtundneunzig Stufen
und landete mit Weh und Ach
ganz oben, dicht unter dem Dach.
Dort wartete bereits auf sie
die Katze namens Doremi.
Kaum, dass das Mäuslein nicht mehr lebte,
geschah´s dass eine Fledermaus
ein paarmal um die Katze schwebte,
zur Luke flog und dann hinaus.
da faltete die Katz, die dreiste,
die Pfoten und sprach: Ei, wie süß!
Da fliegt die Maus, die ich verspeiste,
als Engelein ins Paradies!"

Heinz Erhardt




Warum die Zitronen sauer wurden

Ich muss das wirklich mal betonen:
Ganz früher waren die Zitronen
(ich weiß zwar nicht genau mehr wann dies
gewesen ist) so süß wie Kandis.

Bis sie einst sprachen: „Wir Zitronen,
wir wollen groß sein wie Melonen!
Auch finden wir das gelb abscheulich,
wir wollen rot sein, oder bläulich!"

Gott hörte oben die Beschwerden
und sagte: „Daraus kann nichts werden!
Ihr müßt so bleiben! Ich bedauer!"
Da wurden die Zitronen sauer...

Heinz Erhardt




Auf dem Fliegenplaneten

Auf dem Fliegenplaneten,
da geht es dem Menschen nicht gut:
Denn was er hier der Fliege,
die Fliege dort ihm tut.

An Bändern voll Honig kleben
Die Menschen dort allesamt,
und andre sind zu Verleben
in süßliches Bier verdammt.

In einem nur scheinen die Fliegen
Dem Menschen vorauszustehn:
Man bäckt uns nicht in Semmeln,
noch trinkt man uns aus Versehn.

Christian Morgenstern



2 Kommentare:

  1. Liebe Margot,
    über die Gedichte von Heinz Erhardt mussten mein Mann und ich tüchtig lachen. Uns gefällt sein trockenen Humor und man sieht ihn beim Lesen der Gedichte bildhaft vor sich, wie er diese vorträgt.
    LG und ein bisschen Sonne für den heutigen Tag wünsche ich Dir
    Astrid

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    1. Liebe Astrid, es geht mir genauso, sein Humor gefällt mir und sein Gesicht sehe ich immer, wenn ich seine Gedichte lese. Habe mir vor einigen Jahren sein Buch gekauft. :-)
      Wünsche dir ein wundervolles Wochenende. Herzliche Grüße, Margot.

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