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Freitag, 11. Dezember 2015

Das Mädchen, das nicht schweigen konnte

Der heutige Tag fängt kalt und mit viel Nebel an. Ich schaue nur aus dem Fenster und möchte am liebsten meine Jacke enger um die Schultern ziehen. Es ist ein Wetter, wo ich nicht aus dem Haus gehen möchte. Dafür ...

... na, was denkt ihr, was ich jetzt mache? Richtig, ich lese ein Märchen, nein heute kein Russisches, sondern eines, was aus Dänemark kommt.



Das Mädchen, das nicht schweigen konnte


Es war einmal ein Hausierer, der reiste nach Ribe in Handelsgeschäften. Er übernachtete in einem Dorf, und da kam er mit der Tochter vom Haus ins Gespräch und fing mit ihr zu tändeln an.
Und am Morgen, als er abreisen wollte, sagte er zu ihr, er wolle sie zur Frau nehmen, wenn er zurückkehre, falls sie es verschweigen könne.

»Ja, freilich kann ich das verschweigen«, sagte sie.

Als er abgereist war, musste sie das Frühstück richten. Da stand der Aschentrog voll Asche neben dem Herd, und dicht dabei stand das Mehlfaß. Da griff sie fehl und nahm eine Handvoll Asche. In dem Augenblick kam ihre Mutter und sagte: »Was hast du denn, warum stehst du da und machst dummes Zeug! Ich glaube gar, du nimmst Asche statt Mehl!« – »Ja so!« sagte sie, »ich war in Gedanken!« – »Das müssen aber saubere Gedanken sein«, sagte die Mutter. – »Es ist, weil der Krämer, der hier war, gesagt hat, er wolle mich heiraten, wenn er wiederkäme, falls ich darüber schweigen könnte.« – »Ja, freilich können wir das verschweigen, das können wir gewiss«, meinte darauf die Mutter.

Als das Mädchen die Grütze fertig hatte, ging sie in die Stube, wo die Breischüssel mit dem Boden nach oben stand, und da wandte sie sie um. Da kam die Frau mit der Grütze, und weil sie gewohnt war, dass die Schüssel immer umgekehrt stand, so drehte sie sie nochmals und fing an, die Grütze über den Boden der Schüssel zu schütten. Aber man hatte den Mann zum Frühstück gerufen, und in dem Augenblick kam er herein und sah alles. Da sagte er: »Was machst du denn für dummes Zeug hier?« – »Ja so«, sagte die Frau, »ich war in Gedanken.« – »Das müssen aber hochwichtige Gedanken gewesen sein«, sagte er. – »Ja, es war wegen des Krämers«, sagte sie, »der hier übernachtet hat, er hat zu unserer kleinen Mette gesagt, er wolle sie heiraten, wenn er wiederkäme, falls sie es verschweigen könne.« – »Da können wir das ja verschweigen, wir sind ja Manns genug dazu«, sagte er.

Wie sie mit ihrem Frühstück fertig waren, da wollte der Mann aufs Feld, um zu pflügen. Er machte sich auf den Weg und kam zum Pflug, der am Ackerrand stand. Da war auch sein Nachbar zum Pflügen draußen. Nun wollte der Mann die Ochsen hinten an den Pflug spannen, und da kam sein Nachbar und fragte: »Warum machst du denn so dummes Zeug?« – »Ja so, ich war in Gedanken und habe mich dumm angestellt.« – »Das müssen kuriose Gedanken sein. Was sind denn das für wichtige Sachen, an die du denkst?« – »Letzte Nacht hat ein Krämer da übernachtet, der hat zu unsrer kleinen Mette gesagt, er wolle sie heiraten, wenn er wiederkäme, falls sie es verschweigen könnte.« – »Das könnt ihr ja ruhig verschweigen, dazu seid ihr Manns genug«, sagte der Nachbar.

Aber die Sache wurde nicht verschwiegen, sondern machte überall die Runde. Als der Krämer auf der Rückreise wiederkam, erkundigte er sich drei, vier Meilen, ehe er in den Ort kam, und die Leute wünschten ihm Glück von allen Seiten.

Darüber ärgerte er sich sehr, und als er in das Dorf kam, kehrte er nicht bei diesem Mann ein, sondern bei seinem Nachbarn und blieb da über Nacht. Der Mann hatte ebenfalls eine Tochter, und er verliebte sich in sie; und da winkte ihm eine viel größere Mitgift, denn der Mann war reicher als der andere; und so blieb es dabei, die beiden sollten einander heiraten, und sie wurden aufgeboten und die Hochzeit festgesetzt.

Nun waren die Leute, bei denen er auf der Hinreise übernachtet hatte, zur Hochzeit eingeladen, aber sie wollten nicht einmal hin, so ärgerlich waren sie. Aber als der Hochzeitstag kam und der Hochzeitszug in die Kirche wollte, da bat Mette, ob sie nicht mit ihnen in die Kirche gehen und auch ihre Gabe auf den Teller legen dürfe. Dazu bekam sie auch die Erlaubnis. Als sie zum Opfern am Altar gewesen war und wieder zurückkam, da drehte sie sich nach dem Bräutigam um und sagte: »Ich hab doch noch gute Zuversicht zu dir!«

Als die Brautleute am Abend im Bett waren, wurde die Braut neugierig und wollte wissen, was das Mädchen ihm in der Kirche zugeflüstert hatte. »Ach, die arme Plaudertasche!« sagte er. »Sie sagte, sie hätte immer noch gute Zuversicht zu mir, mir scheint aber, die Zuversicht sollte vorbei sein.« Darauf sagte sie: »Ja, die ist ihrer Lebtag eine Plaudertasche gewesen, nicht das geringste hat sie verschweigen können und immer alles gesagt, was sie wusste.
Nein, da habe ich anders schweigen können, drei Kinder hab ich gehabt und sie alle drei hier unter dem großen Baum begraben; und ich habe es nie einem Menschen gesagt, außer dir.« Da sprang er von ihr weg aus dem Bett und sagte, er wolle sie nicht zu eigen haben, wenn sie solche Abenteuer hinter sich hätte. »Ich will doch die andere nehmen«, sagte er, »kann sie das Gute nicht verschweigen, so kann sie das Schlechte noch viel weniger verschweigen.«

Als es Tag war, zeigte er es der Obrigkeit an, und da bekam sie ihre verdiente Strafe. Aber ihm wurde freigestellt, zu heiraten, wen er wolle, und da nahm er die erste Liebste.

Herzlichst Margot

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