So kann man es auch sagen, durch Fabeln, Vergleiche anstellen ... sie müssen nicht immer von Aesop oder Martin Luther geschrieben sein.
Zum Beispiel von:
Marie von Ebner-Eschenbach, geb. 13. September 1830 auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier in Mähren, gestorben 12. März 1916 in Wien.
Sie war eine österreichische Schriftstellerin und gilt mit ihren psychologischen Erzählungen als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Erzählerinnen des 19. Jhds.
Die Siegerin
Es kam einst zu einem ungeheuren, einem echten Titanenkampf. Alle Tugenden und alle Laster rangen miteinander auf Leben und Tod. Furchtbare Wunden klafften, in Strömen floss das Blut. Hinterlist und Tücke hatten die Gerechtigkeit überwältigt und ihr den Arm gelähmt. Zerfleischt von den Zähnen und Klauen des Hasses und der Eifersucht erstarb die Liebe; der Großmut röchelte unter den würgenden Händen der Habgier. Vielen Tugenden erging es schlecht an dem Tage, aber auch viele Laster meinten den Rest bekommen zu haben.
In der ganzen großen Heerschar blieb nur Eine unversehrt; es war eine der Tugenden: es war die Güte. Mit Steinen beworfen, von den Pfeilen des Undanks durchbohrt, hundert Mal niedergezwungen, erhob sie sich immer wieder unverwundbar, unüberwindlich, und trat von Neuem in den wütenden Kampf.
Es wurde Abend und Nacht; der Streit blieb unentschieden, die Streiter lagen erschöpft.
Die Güte allein wandelte über die Wallstatt, munter wie ein sprudelnder Quell, lieblich wie das Morgenrot, und labte die Leidenden, und in dem Augenblick ließen sogar ihre Feinde es gelten: Die Stärkste bist Du!
Eine Begegnung
Der Hochmut ging eines schönen Tages spazieren. Er trug eine Krone aus Seifenblasen auf dem Kopf, und die schillerten bunt und prächtig im Sonnenschein. An seinem purpurfarbigen Gewand hingen zahllose vergoldete Glaskugeln; die Plattfüße hatte er in Schuhe mit ungeheuren Hacken gesteckt
und schritt auf ihnen so majestätisch einher, wie ein hölzerner König in der Puppenkomödie. Sein breites Gesicht strahlte von Selbstzufriedenheit, seine roten, fingerdicken Lippen waren verächtlich verzogen; aus halbgeschlossenen Lidern blickte er um sich, als ob nichts da wäre, der Mühe wert, ihm einen ganzen Blick zu gönnen.
Da kam ein Wesen ihm entgegen, bei dessen Erscheinen er stutzte. Ein Wesen von schlichtem Aussehen; bescheiden sein Gang, seine Haltung, seine Gebärde; schön sein Angesicht, auf dem ein edler Ernst und tiefinnerlichsten Frieden sich malten.
"Weiche mir aus!" rief der Hochmut ihm zu.
Dennoch fühlte der Hochmut sich verletzt: "Du lächelst? wie darfst du es wagen, zu lächeln in meiner Gegenwart?" schnaubte er und warf sich wütend auf den Beleidiger. Dieser wehrte ihn nicht ab, regte sich nicht einmal, stand nur ruhig und fest. Der Hochmut aber stürzte zur Erde, und alle seinen Seifenblasen zerplatzten, und alle seine Glaskugeln lagen in Scherben — er war an das Verdienst angerannt.
Herzlichst Margot.
Hallo Margot,
AntwortenLöschenwirklich sehr hintergründige Geschichten, mir gefällt es, wie der Hochmut dem Verdienst unterliegt, obwohl es leider nicht immer geschieht - wie mir scheint ;)
Liebe Grüße aus dem, immer noch sonnigen, Odenwald
Björn :)
Lieber Björn, ich habe auch nichts dagegen, wenn der Hochmut sich nicht durchsetzt. :-)
LöschenEinen schönen Tag und liebe Grüße, Margot.
Liebe Margot,
AntwortenLöschendie Güte wird leider immer verkannt und oftmals ausgenutzt. Das finde ich sehr schade, denn Güte zeichnet eigentlich die wahre Größe eines Menschen aus.
LG
Astrid
Liebe Astrid,
Löschenich wünschte mir, die Güte würde sich überall durchsetzen. Güte bedeutet für mich auch Frieden. Wäre das nicht schön? Dir ganz liebe Grüße, Margot.
Das sind wieder einmal sehr schöne Geschichten mit Lebensweisheiten. Hochmut kommt vor dem Fall. Schön wie er am Verdienst scheiterte und auch die erste Geschichte mit der Güte finde ich sehr gelungen.
AntwortenLöschenLG Eva
Vielen Dank liebe Eva, über solche Worte freue ich mich immer. Es zeigt, du bist ein sehr friedlicher Mensch und ich freue mich dich zu kennen. :-)
LöschenWünsche dir einen sehr schönen Tag, herzliche Grüße, Margot.
Die immer wieder lebensbejahend ästhetischen Beiträge in Ihrem Blog, liebe Margot, lassen mich erstaunen und geben Kraft. Marie von Ebner-Eschenbach, die Sie uns vorstellten, war übrigens auch eine ausgezeichnete Poetin. Eines ihrer Gedichte, das ich hier wiedergeben darf, weil es mich am meisten fasziniert, da es mit so wenigen Worten verinnerlichend wirkt, hatte ich dem Kapitel "Empfindungen und Zweifel" meines Büchleins vorangestellt (den Titel erwähnte ich unlängst).
AntwortenLöschenEin kleines Lied
Ein kleines Lied! Wie geht's nur an,
Daß man so lieb es haben kann,
Was liegt darin? erzähle!
Es liegt darin ein wenig Klang,
Ein wenig Wohllaut und Gesang
Und eine ganze Seele.
Marie von Ebner-Eschenbach
Ihnen, liebe Margot, ein blumiges Wochenende
E.Rasmus
Lieber E. Rasmus, vielen Dank für die anerkennenden Worte. Es freut mich, bin ja auch nur ein Mensch :-) wenn ich solche lieben Worte lese. Ich fühle mich als Sammlerin und es macht Spaß.
LöschenVon Marie von Ebner-Eschenbach, gefallen mir auch nachfolgende Sprüche.
"Nur der Denkende erlebt sein Leben, an Gedankenlosen zieht es vorbei." und wenn ich die Gräueltaten in der Presse lese, denke ich an ihren Spruch:
„Ihr jubelt über die Macht der Presse - graut euch nie vor ihrer Tyrannei?“
Mich graut es vor den ganzen Medien ...
Wünsche Ihnen ein wundervolles Wochenende, herzliche Grüße, Margot.