Es ist eine Geschichte aus Japan, die ich euch heute erzählen möchte. Diese Geschichte wird auch Märchen genannt, da Tiere in der Realität nicht sprechen können. Der Inhalt dieser Märchen sind aber für Menschen gedacht, denn sie beinhalten unsere Charaktereigenschaften und wir können daraus lernen, wie von diesem Märchen beschrieben. Es geht um Dankbarkeit und Treue, die man nur mit einem guten Herzen erreichen kann.
Einst lebte in einem Dorf der Präfektur Hidatschi, die sich längs der östlichen Meeresküste im Norden von der Hauptstadt Tokio ausbreitet, ein frommer Priester, der mit Wohlwollen und steter Betätigung der Liebe zu seinen Mitmenschen still, aber vergnügt seine Tage verbrachte. Anspruchslos, wie er war, klagte er nie, dass die Götter ihm keine von den Priesterstellen gewährt hatten, welche irdische Schätze verleihen; er fühlte sich vollkommen zufrieden im Besitze des wenigen, was er hatte.

Einstmals - es war ein bitter kalter Winterabend - saß er in seiner wohl durchwärmten Klause an einem Tischchen und las mit gedämpfter Stimme in seinen Gebetbüchern, als er plötzlich ein leises Pochen an den äußeren Läden, welche rings um das Haus liefen, zu vernehmen glaubte. Er horchte auf, und als sich das bescheidene Klopfen wiederholte, stand er auf, schob den Riegel an dem Türladen zurück und öffnete. Zu seiner großen Verwunderung stand ein Tanuki, eine Art Fuchs, vor der Tür und bat um Einlass.
Voller Mitleid, wie der Priester war, gewährte er dem armen Tiere, das vor Kälte und Hunger zitterte, gern seine Bitte; er hieß den Tanuki sich wärmen, und als er sein Abendbrot verzehrte, gab er ihm einige Fischabfälle und sättigte den Gast, so gut er es vermochte.

Der Priester sah den seltsamen Besuch lächelnd ziehen und hatte ihn fast vergessen, als am Abend sich das gestrige Erlebnis wiederholte. Der Tanuki klopfte, ward eingelassen und gefüttert, und nachdem er die Nacht gut und ungestört geschlafen hatte, ging er am nächsten Morgen wieder fort.
Solange die Winterzeit dauerte, kam der Tanuki nun fast Abend für Abend, und der Priester gewöhnte sich so an seinen Gesellschafter, dass er ganz betrübt wurde, wenn der einmal ausblieb.
So verging der Winter, und als es Frühling wurde, da musste der Tanuki scheiden, denn seine Heimat war der Wald, und dort hatte er auch Angehörige, zu denen er zurückkehren musste. Er nahm also Abschied von seinem Freunde, dem Priester, und versprach, wiederzukommen, sobald die kalte Jahreszeit ins Land zöge. Der Priester war damit zufrieden und beurlaubte den Tanuki.
Als der Sommer vergangen war und der Schnee die Flur bedeckte; als nachts raue Stürme einher jagten und Kälte und Frost mit sich brachten: da stellte der Tanuki sich richtig wieder ein, und wieder verbrachte er die Abende in der warmen Stube des Priesters auf die behaglichste Weise.

Der Priester dachte ein Weilchen nach und erwiderte dann freundlich: "O ja, ich hätte wohl einen Wunsch, aber den kann ich mir nicht erfüllen. Sieh, ich möchte so gern mir eine Grabstätte an einem heiligen Orte kaufen und das Geld haben, das ich für einige Feierlichkeiten bei meinem Begräbnisse bestimmen könnte. Indessen gehören zu diesen Dingen drei Yen, und die vermag ich nicht aufzubringen; ein armer Priester wie ich muss froh sein, wenn er kümmerlich seinen Lebensunterhalt zu bestreiten vermag."
Als er nun aber sah, dass der Tanuki darüber ganz betreten ward und sehr trübselig da saß, setzte der gutherzige Priester sogleich hinzu: "Was schadet denn das? Im Grunde sind meine Wünsche doch nur die Ausflüsse einer Eitelkeit, deren ich mich schämen sollte. Was macht es aus, wie man bestattet wird? Das beste Andenken verleihen gute Taten!"
Der Tanuki, in Gedanken verloren, entgegnete nichts und berührte den Gegenstand dieses Gesprächs nicht wieder.
Als dann die warme Frühlingssonne abermals vom Himmel hernieder strahlte und alles mit Blütenpracht überschüttete, da nahm das Tier von seinem Wirte Abschied und verschwand wie im Jahre vorher.

Schon manche Nacht hindurch hatte der Priester in seinem warmen Zimmer gesessen und den Tanuki erwartet; er kam nicht, und sooft auch der gute Priester vor die Tür eilte, wenn es wie ein leises Klopfen ertönte, so musste er sie doch stets unverrichteter Sache wieder schließen. Der Tanuki kam nicht; er war und blieb verschwunden.
Im nächsten Jahre wartete der Priester ebenso vergebens, und als der Tanuki auch im dritten Winter ausblieb, da gab ihn der Priester verloren und meinte, ein Jäger hätte das arme Tier erlegt, oder ein Bär oder ein Wolf hätte es zerrissen So verging die Zeit. Der Priester fühlte mehr und mehr, wie alt er wurde, und dachte oft an seinen Tod.
Der Sommer war abermals dahin und der Winter im Anzuge, als eines Abends wieder, ganz wie ehedem, ein leises, bescheidenes Klopfen an den Außenläden des Hauses ertönte. Neugierig sprang der Priester auf und öffnete, und - o Freude! - da stand unversehrt der Tanuki!

Der Priester war nicht nur aufs äußerste erstaunt, sondern auch tief gerührt. Er weigerte sich, das so sauer erworbene Geschenk des Tanuki anzunehmen; allein dieser bat ihn mit Tränen in den Augen darum und sagte: "Was würde mir das Geld nützen? Ich könnte es ja doch nicht brauchen."

Der Tanuki war es zufrieden und erfüllte die Bitte des Priesters. Alle Menschen aber, welche seine Erzählung hörten, priesen den treuen, dankbaren Tanuki.
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