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Montag, 15. September 2014

Der Handstand auf der Loreley

... der Himmel ist dunkel mit Wolken verhangen, trotzdem scheint mild die Sonne. So fühle auch ich mich, mein Rücken schmerzt, ich kann kaum schreiben, doch ich möchte nicht jammern. Es gibt Schlimmeres, nur mein Beitrag wird heute nicht lang. In Gedanken stehe ich auf der Loreley und schau auf den Rhein, ein schönes Bild. Nur sind meine Gedanken anders, als die Dichter über sie schreiben. Das bekannteste Gedicht ist wohl von Heinrich Heine, dass wir in der Schule lernen mussten.



Ich weiß nicht was soll es bedeuten 
Daß ich so traurig bin; 
Ein Märchen aus alten Zeiten, 
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl und es dunkelt, 
Und ruhig fließt der Rhein; 
Der Gipfel des Berges funkelt 
Im Abendsonnenschein...




Doch an dieses Gedicht habe ich nicht gedacht, sondern an das Gedicht von Erich Kästner. Was auch nicht gut ausgeht, aber ich finde, es liest sich besser ...


Der Handstand auf der Loreley
(Nach einer wahren Begebenheit)

Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen,
ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen,
wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen,
von blonden Haaren schwärmend, untergingen.

Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen. 
Der Rhein ist reguliert und eingedämmt.
Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen,
bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.

Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage 
noch manches, was der Steinzeit ähnlich sieht.
So alt ist keine deutsche Heldensage,
daß sie nicht doch noch Helden nach sich zieht.


Erst neulich machte auf der Loreley 
hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand!
Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei,
als er kopfüber oben auf der Wand stand.


Er stand, als ob er auf dem Barren stünde. 
Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen.
Man fragte nicht: Was hatte er für Gründe?
Er war ein Held. Das dürfte wohl genügen.

Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine. 
Da trübte Wehmut seinen Turnerblick.
Er dachte an die Loreley von Heine.
Und stürzte ab. Und brach sich das Genick.

Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen. 
Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt.
Ein Augenblick mit zwei gehobnen Beinen
ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt! 
P.S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen:
Der Turner hinterließ uns Frau und Kind.
Hinwiederum, man soll sie nicht beklagen.
Weil im Bezirk der Helden und der Sagen
die Überlebenden nicht wichtig sind.




Dieses Gedicht ist ironisch geschrieben, was mir gefällt, und nimmt die Heldensagen auf den Arm. Ich möchte kein Held sein und verziehe mich, mein Rücken schmerzt zu sehr, doch mein Beitrag ist auch nicht kürzer geworden.



4 Kommentare:

  1. Die Ironie ist wirklich herrlich.
    Bei dem Satz "Man stirbt nicht mehr beim Schiffen, nur weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt. " musste ich soooo lachen. Klasse!

    Liebe Grüße
    Sonja

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    1. Ja Sonja, ich liebe Ironie und finde die Stelle, die du hier erwähnst, sehr gelungen. :-)) Und nicht nur diese ...
      Danke und noch einen schönen Abend. Liebe Grüße, Margot.

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  2. Liebe Margot, erst einmal gute Besserung für Deinen Rücken!.
    Das zweite Gedicht gefällt mir sehr gut. Die Ironie ist köstlich und doch auch soo wahr.

    LG und schönen Abend
    Eva

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    1. Liebe Eva, danke für deinen lieben Wunsch, ja ich habe es nötig. ;-)
      Es freut mich, dass dir das Gedicht gefällt.
      Liebe Grüße, Margot.

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