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Samstag, 16. Januar 2016

Äpfelchen

Heute möchte ich mich nicht über Deutschlands Politiker ärgern, nein, sie sind es nicht wert. Russland wende ich mich zu und lese ein wunderschönes Märchen aus diesem Land. Vielleicht gefällt es auch euch ...




Es waren einmal ein Mann und seine Frau. Sie hatten drei Töchter. Zwei davon liebten es sehr, sich zu amüsieren und sich schön anzukleiden. Das dritte Mädchen war sehr bescheiden. Die zwei älteren Schwester hatten bunte Sarafane (russisches Frauengewand), Schuhe mit hohen Absätzen und goldene Ketten um den Hals geschlungen. Mascha trug einen dunklen Sarafan. Bei ihr waren ganz blaue Augen und ein wunderschöner Zopf, so prächtig, dass er bis zum Boden fiel und die Blumen auf der Erde ereichte. Die älteren Schwester waren Faulpelze. Mascha dagegen war immer sehr fleißig, sie arbeitete gerne zuhause, im Feld oder bei den Beeten: entfernte des Unkraut von den Beeten, holte Holz für den Ofen, molk die Kühe und fütterte die Enten. Sie war immer bereit zu helfen und stritt mit niemandem. Trotzdem wurde Mascha oft von den Schwestern gescholten. Ihre Arbeiten ließen sie von Mascha übernehmen.

So verrann die Zeit. Einmal wollte der Mann mit dem Heu auf den Markt fahren und versprach den Töchtern Geschenke mitzubringen. Die eine Tochter bat um
Seide für einen neuen Sarafan. Die zweite Tochter bat um roten Samt. Mascha aber dagegen äußert keinen Wunsch. Da fragt der alte Mann die jüngere Tochter:

"Was wünschst du dir als Geschenk, Mascha?"
"Lieber Vater, kaufe mir bitte ein Äpfelchen und ein silbernen Tellerchen."
Da fangen die anderen Schwestern an zu lachen.
"So eine Dumme! Wir haben ja einen Garten voller schöner Äpfel! Einen Teller benötigt sie bestimmt, um die Enten zu füttern."

"Nein meine Schwesterchen. Neulich habe ich einer alten Frau einen Kuchen geschenkt. Dafür erzählte sie mir, dass ich das Äpfelchen auf dem Teller rollen und bestimmte Worte dabei wiederholen sollte."

Anschließend spricht der Vater:
"Hört auf die Schwester auszulachen! Jeder wählt das Geschenk, das ihm am Herzen liegt. Ich werde Mascha das kaufen, was sie sich wünscht."

Ob es lang oder kurz war, sei dahingestellt. Der Mann hat das Heu verkauft und die Geschenke erworben. Der einen Tochter brachte er die blaue Seide, die zweite bekam den roten Samt und Mascha ein Apfelchen mit dem silbernen Tellerchen. Die älteren Schwester machten sich unverzüglich daran, die Sarafane zu nähen. Mascha war besonders über das Geschenk erfreut, setzte sich auch in die Ecke des Zimmers und begann zu singen:

"Rolle, rolle das Äpfelchen auf dem silbernen Tellerchen, zeig mir die Städte und die Felder, das Meer und die Wälder, zeige mir die hohen Berge und den schönen Himmel von meinem geliebten Mütterlein Russland."
Da ertönte plötzlich ein wunderschöner silberner Klang. Im Zimmer wurde es hell. Das Äpfelchen rollte auf dem Tellerchen und zeigte Städte, Wiesen, Schiffe auf dem Meer, hohe Berge, den schönen Himmel, die Sonne und den Mond, die Sterne und die singenden Schwäne auf dem Teich. 

Als die Schwester das sahen, wurden sie neidisch. Sie überlegen sich, wie sie in den Besitz des Äpfelchens und des Tellerchens kommen könnten. Mascha wollte keinesfalls auf das Äpfelchen und das Tellerchen verzichten. Jeden Abend erfreute sie sich an dem Tellerchen. Daraufhin beschlossen die Schwestern, Mascha in den Wald zu schicken.

"Unsere geliebte Schwester, komm mit uns in den Wald, holen wir aus dem Wald dem Väterchen und dem Mütterchen frische Erdbeeren."
Mascha war nicht dagegen einzuwenden und ging mit den Schwestern in den Wald. Weit und breit waren keine Erdbeeren zu sehen. Dann holte Mascha das
Tellerchen hervor, ließ das Äpfelchen rollen und singt dabei: 
"Rolle, rolle das Äpfelchen auf dem silbernen Tellerchen, zeig mir wo sich die Erdbeeren verstecken."
Da ertönte wieder ein wunderschöner silberner Klang, das Äpfelchen rollte auf dem Tellerchen und zeigte die Plätze, wo die Erdbeeren wachsen, wo die Blumen blühen, wo sich die Pilze verstecken, wo das Bächlein läuft, wo die Schwäne auf dem Teich singen. Alsbald erblickten die Schwestern dieses Wunder, sie waren außer sich vor Neid. Mit dem großem Ast haben sie Mascha getötet und unter einer Birke begraben. Das Äpfelchen mit dem silbernen Tellerchen haben sie zu sich genommen. Erst am späten Abend kehrten die Schwestern mit den Körben voller Pilze und Beeren nach Hause zurück. Sie erzählen dem Vater:

"Mascha ist uns davongelaufen. Wir haben sie lange im Wald gesucht - sie ist verschwunden. Scheinbar wurde sie von den Wölfen gefressen."

Nachdem erwidert der Vater: 
"Lasst das Äpfelchen auf dem Tellerchen laufen. Vielleicht zeigt das Tellerchen, wo unsere Mascha ist." 
Vor Angst erstarrten die beide Schwestern.. Sie ließen das Äpfelchen auf dem Tellerchen laufen, doch zeigt das Tellerchen nichts, rollt das Äpfelchen nicht. Keine Felder, keine Wälder und Berge sind zu sehen.

Gerade zu dieser Zeit suchte ein Hirte seine Schäfchen im Walde und sieht eine grüne Birke stehen. Auf dem Erdhügelchen unter der Birke blühen ringsherum Blumen und in der Mitte Schilfrohr. Der junge Hirte schnitt sich ein Schilfrohr ab und fertigte sich eine Flöte an. Alsbald brachte er die Flöte an die Lippen, sie begann plötzlich selbst zu spielen, zu erzählen:

"Spiel die Flöte, sing schön für den jungen Hirten. Wegen des Äpfelchens mit dem Tellerchen hat man mich als junges Mädchen umgebracht."
Dem jungen Hirte wurde angst und bange und lief ins Dorf und erzählte die Geschichte den Leuten. Auch dem Vater von Mascha kam das zu Ohren. Kaum hatte der Vater die Flöte zur Hand genommen, begann sie zu singen, zu erzählen:
"Spiel die Flöte, sing schön für meinen geliebten Vater. Wegen des Äpfelchen mit dem Tellerchen hat man mich als junges Mädchen umgebracht."
Unter Tränen bittet der Vater den jungen Hirten, ihn dorthin zu geleiten, wo sich das alles ereignete. Sie gelangten in den Wald, wo die Birke steht, wo die Blümchen blühen und die Vögelchen ihren Gesang erklingen lassen. Man öffnete das Grab. Darin liegt die arme Mascha und sieht so zauberhaft aus, als sei sie nicht gestorben. Es scheint so, als ob das Mädchen schlafen würde. Erneut begann die Flöte zu spielen:
"Spiel die Flöte, sing schön für meinen geliebten Vater. Die Schwestern haben mich in den Wald gelockt und mich wegen des Äpfelchen mit dem Tellerchen ums Leben gebracht. Mein geliebter Vater, hole bitte das Lebenswasser."

Vor Entsetzen sind die Schwestern blass geworden, zitterten und fielen auf die Knie vor dem Vater. Beide erzählten sie ihm über ihr Verbrechen. Man warf sie in das dunkle Verlies und die Tür wurde mit einem großen Schloss versperrt. Der Zar sollte selber über Schicksal befinden.
Der Vater und die Mutter begeben sich inzwischen auf den Weg, um das Lebenswasser zu suchen. Tag und Nacht gingen sie durch die Felder und Wälder, befragten Leute, doch niemand konnte ihnen Auskunft erteilen. Eines Tages fanden sie eine Holzhütte im Wald. Aus der Hütte trat eine alte Frau und sprach:
"Jawohl. Ich kenne Mascha. Dieses Mädchen hat mir geholfen. Sie hat mir einen Kuchen geschenkt. Somit helfe ich ihr auch."
Mit diesen Worten überreichte sie den Eltern das Glas mit dem Lebenswasser. Hocherfreut fahren die Eltern nach Hause. Alsbald benetzte der Mann Mascha mit dem Lebenswasser, Mascha kehrte wieder ins Leben zurück. Sie umarmte Vater und Mutter. Von allen Seiten laufen die Menschen auf sie zu und freuen sich über dieses Wunder. Ebenso der Zar erfuhr davon, das Mascha wieder ins Leben zurückgeholt wurde. Er bittet Mascha und die Eltern in seinen Palast. Der Zar erblickte Mascha, die wie eine Frühlingsblume aussah. Die Augen erstrahlen wie das Sonnenlicht, die Tränen fallen auf ihre Wangen wie Perlen. Unmittelbar danach fragte der Zar:
"Ich habe gehört, dass sich in deinem Besitz ein wundersames Äpfelchen mit dem Tellerchen befindet?"

Mascha nahm das Tellerchen und ließ das Äpfelchen auf dem Tellerchen rollen. Plötzlich vernahm man einen schönen Klang und das Tellerchen zeigte die russischen Städte - eine nach der anderen, die Soldaten mit den Fahnen, wie sie in Kolonnen stehen. Das Äpfelchen rollt weiter und das Tellerchen zeigt das Meer und die Schiffe, auch wie der Wind die Segel am Mast aufbläst. Und wieder rollt das Äpfelchen und das Tellerchen zeigt die schöne Sonne am Himmel und den Mond zwischen den Sternen. Die Menschen tanzen und die Schwäne singen Lieder.
Der Zar wundert sich über das Gesehene. Mascha aber sagt zum Zar:

"Nehme mein Äpfelchen und das Tellerchen und bringe bitte meine Schwestern nicht ums Leben."
Nun ging der Zar auf Mascha zu und spricht:

"Das Tellerchen wurde aus Silber gefertigt, aber dein Herz ist aus purem Gold. Möchtest du meine Frau werden und Zarin sein? Auf deine Bitte werde ich deine Schwestern begnadigen."
Danach wurde ein großes Festmahl zubereitet. Die Hochzeit wurde so gefeiert, dass die Sterne vom Himmel fielen, man tanzte so, das der Fußboden zerbrach.

So hat es sich zugetragen......




4 Kommentare:

  1. Liebe Margot,
    ein schönes Märchen. So wie es sein soll, geht dieses Märchen gut aus.
    Märchen können brutal sein, aber sie können auch verzaubern und uns in eine andere Welt führen. Nur die Realität ist leider nicht immer so märchenhaft.
    LG und einen märchenhaften Samstagabend wünsche ich Dir
    Astrid

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    1. Liebe Astrid, ich mag sehr gerne Märchen, sie versetzen mich in eine schöne Kindheit. In meiner Kindheit habe ich aber fast nur deutsche Märchen gelesen, hier lese ich sie aus allen Ländern, schön.
      Wünsche dir einen schönen Sonntag. Liebe Grüße, Margot.

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  2. Wie schön... ich liebe Märchen. Sie sind irgendwie immer heilsam für die Seele und voller Herz. Ist das ein echtes russisches Volksmärchen?

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    1. Hallo Sabine, ich liebe auch Märchen und es ist laut schriftlicher Aussage, ein echtes russisches Volksmärchen.
      Herzliche Grüße, Margot.

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