Heute sollte es bei uns schneien, wurde angesagt, aber bis jetzt kann ich noch keine Schneeflocke oder Flöckchen sehen. Nun ja, vielleicht in der Nacht oder überhaupt nicht, wie in den vergangenen Jahren. Es macht mir nichts aus, denn ich darf Märchen lesen aus aller Welt. In dieser Welt der Märchen fühle ich mich wie ein Kind. Nun heute lese ich ein Märchen aus Polen ...
Der Drache von Wawel
Vor vielen, vielen Jahren, als Krakau noch die Hauptstadt Polens war, lebten in der Burg auf dem Wawel-Berg oberhalb der Weichsel der König Krak mit seiner Tochter Wanda. Alle Bürger von Krakau liebten ihren gutherzigen König und die liebevolle Wanda. Jahrelang lebten alle in Frieden und sorgten um das Wohlhaben ihrer Stadt. Unter ihnen lebte auch in der Familie des Schuhmachers ein tüchtiger und fleißiger Lehrling namens Dratewka. Eines Tages passierte folgendes:
In einer Höhle unter dem Wawel-Berg hatte sich ein böser Drache niedergesetzt. Er hatte drei Köpfe, und sein ganzer Körper war mit Schuppen bedeckt. Wenn er wütend war, tobte er so stark, dass der ganze Berg bebte, aus seinem Maul spie Feuer und Rauch. Er versetzte die ganze Stadt in Schrecken. Um ihn zu besänftigen, haben die Bewohner täglich ein Schaf vor seine Höhle gelegt. Es war für ihn aber noch nicht genug. Einmal im Jahr musste sogar ein junges Mädchen geopfert werden. Viele Bürger versuchten gegen den Drachen anzukämpfen. Niemand konnte ihn jedoch bewältigen. Der Ältestenrat verbrachte Tage und Nächte, um eine Lösung zu finden, fand aber keine. Letztendlich war in Krakau kein Mädchen mehr. Nur die Prinzessin Wanda verblieb. Der Drache wurde immer ungeduldiger. Da nun kein anderes Mädchen mehr zu finden war, stand fest, dass die Königstochter an der Reihe war. In ganz Krakau herrschte große Trauer. Der König verkündete im ganzen Land, dass er einen tapferen Ritter suche, der den Drachen besiegen würde.
Es kamen viele mutige Ritter und kämpften erfolglos gegen den Drachen. Die meisten wurden im Kampf vom Drachen getötet. Als keine Hoffnung mehr bestand, erschien der Schuhmacherlehrling Dratewka vor dem König. Er bat um Erlaubnis, gegen den Drachen anzutreten. Der König hörte und stimmte seinem Vorhaben zu. Sofort begann der Junge mit seinem Plan.
Vom Metzger holte er sich Schafsfell. Von allen Bürgern sammelte er Schwefel, Salz, Pfeffer und Pech. Er füllte das Fell damit voll und nähte es dicht zu, dass es wie ein echtes Schaf aussah. Nachts warf er das "Schaf" vor den Höhleneingang. Am nächsten Morgen kam der hungrige Drache aus der Höhle und fraß sofort das Schaf. Kurz darauf verspürte er ein fürchterliches Brennen im ganzen Körper. Er versuchte es durch Trinken von riesigen Wassermassen zu löschen. Er trank so viel, dass man den Boden der Weichsel sehen konnte. Er trank weiter, so lange, bis er endlich mit einem riesigen Knall platzte. Es herrschte große Freude in ganz Krakau. Dratewka heiratete Wanda, und sie lebten noch lange Zeit glücklich und zufrieden.
Das Märchen finde ich schön, freue mich aber, weil es keine Drachen mehr gibt.
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